Ich reite in vollem Galopp über die weite, endlose Steppe. Mein Herz schäumt über vor purem Glück. Ich reiße die Arme hoch, strecke mich im Sattel und werfe den Kopf nach hinten. Der Schrei aus vollem Halse scheint meinem inneren Druck Luft zu geben.

Ich habe es geschafft!

Ich habe geschafft, was noch  kein anderer in meinem Stamm vor mir geschafft hat. Ich bin der beste Krieger und ich bin noch jung. Ich strotze vor Kraft und Lebensenergie, die durch meine Adern strömt. Und ich werde Maori zur Frau nehmen, die Tochter unseres Häuptlings. In ein paar Tagen ist es soweit. Dann wird die Zeremonie stattfinden und Maori wird meine Frau sein. Fühlt es sich so an, wenn das Glück einen voll erfasst hat? Du weiß gar nicht, wohin mit all deiner Kraft, mit all deinem Übermut?

Doch was dann passiert, ist kaum zu beschreiben!

Plötzlich stockt mir der Atem. Ich krümme mich auf dem Sattel zusammen. Reiße die Augen in purem Entsetzen auf. Und dann weiß ich es: Eine Kugel hat mich mitten ins Herz getroffen.

Ich sehe mich langsam nach hinten kippen und vom Pferd rutschen. Wie in Zeitlupe. Dann liege ich auf dem Boden. Die Augen weit geöffnet und ins Leere starrend. Ich war schon tot, bevor ich wirklich vom Pferd heruntergefallen bin. Doch der Schock liegt noch in meinem Gesicht. Ich habe bereits meinen Körper verlassen.

Nein! Da stimmt etwas nicht! Ich will wieder in meinen Körper hinein!

In völligem Unverständnis versuche ich wieder in meinen Körper zurückzukommen. Doch es geht nicht. Der liegt nur da und starrt mit offenen Augen weiterhin ins Leere. Was ist da los?

Das kann nicht sein! Irgendetwas läuft da falsch!

Ich bin doch noch gar nicht zu Ende mit meinem Leben. Ich muss doch noch weitermachen, mein Glück tatsächlich erleben!

In meiner tiefen Verzweiflung fühle ich irgendwann, wie mein rechter Arm ganz sachte von einer Hand berührt wird. Da ich kaum reagiere, wird der Druck irgendwann stärker, sodass ich den Kopf drehe, um zu sehen, was dort los ist. Und sehe meinem Vater in die Augen!

Das ist nicht möglich! Mein Vater ist gestorben. Vor vielen Jahren schon.

Und doch steht er neben mir und schaut mich mit einem freundlichen Lächeln an. „Komm“, sagt er, „alles ist gut“, und versucht, mich langsam von dem Geschehen wegzulenken.

Aber ich will noch nicht. Ich bleibe stehen.

Irgendwann nehme ich wahr, dass auf meiner linken Seite auch jemand ist und sehe schließlich meiner Großmutter in die Augen. Auch sie ist schon vor langer Zeit verstorben…

Und was ich nicht wahrhaben möchte, sickert allmählich in mein Bewusstsein.

Ich bin tot.

„Nein“, sage ich zu meinem Vater. „Das ist zu früh. Ich habe noch so viel zu erleben. Ich muss noch einmal zurück. In ein paar Tagen heirate ich Maori. Ich muss doch mein Glück noch wirklich erfahren und erleben!“

Doch mein Vater schaut mich weiterhin mit einem Lächeln an und schüttelt dabei den Kopf. „Nein“, sagt er. „Deine Zeit ist vorbei, Sohn. Sieh dir deinen Körper an. Er ist tot. Das Herz hat aufgehört zu schlagen. Es fließt kein Blut mehr durch die Adern.“

Und ich sehe zurück und es stimmt. Wie ist das möglich? Ich kann es nicht begreifen und stehe immer noch wie angewurzelt an der Stelle, an der ich endgültig meinen Körper verlassen habe.

Nun spricht auch meine Großmutter und sagt „Alles ist gut“ und lächelt mich an.

„Mein Sohn“, mein Vater lenkt nun wieder meine Aufmerksamkeit auf sich. „Wenn du nun auf das Leben, dass du gerade verlassen hast, zurückblickst, was siehst du dann?“

Und nun ist mein Bewusstsein schneller als meine Bilder. Ich weiß sofort, warum er mich das fragt. Ich weiß sofort, was falsch gelaufen ist.

Ich war so unglaublich ehrgeizig. Ich WOLLTE der beste Krieger werden. Habe mich dazu immer wieder in die ersten Reihen gedrängt, bei Kämpfen gegen andere Stämme, gegen die Weißen. Ich wusste einfach, mir passiert nichts. Also bin ich immer mit an vorderster Stelle gewesen. Ich hatte ja ein Ziel, ein gutes Ziel. Ich wollte der beste Krieger unseres Stammes werden. Dafür habe ich sogar ein paar meiner Freunde hinter mir gelassen. Dafür habe ich sogar die Freundschaft geopfert, die mir am teuersten war. Aber schließlich hatte ich ein hehres Ziel!

Und Maori? Eigentlich wusste ich, dass nicht ich es war, den Maori wirklich liebte. Sondern es war mein bester Freund. Doch ich war nun einmal der beste Krieger des Stammes und hatte somit Anspruch auf die Tochter des Häuptlings. Da der selbst keine Söhne hatte, bestand die Möglichkeit, als sein Schwiegersohn auch irgendwann sein Nachfolger zu werden. Also musste ich Maori heiraten. Es gab keine andere Möglichkeit. Und ich würde ihr schon ein guter Ehemann sein…

Doch was habe ich für diesen Stolz und diesen Ehrgeiz alles aufgegeben? Ich habe meine Freunde enttäuscht und verraten. Ich hätte Maori zu einer Liebe gezwungen, die sie nie gewollt hatte.

Ich habe nicht aus Liebe heraus gehandelt, sondern aus Ehrgeiz und Stolz. Und das letzte Mittel des Schicksals mich darauf aufmerksam zu machen, war eine Kugel mitten ins Herz!

Trotzdem war es ein Schock, aus dem Zustand des höchsten Glücksgefühls heraus aus dem Leben gerissen zu werden. Mein Vater und meine Großmutter, Menschen, die mir sehr viel in meinem irdischen Leben bedeutet haben, haben mich dann auch abgeholt, mich aufgefangen.

Nichtsdestotrotz weiß ich bereits jetzt, ich werde wieder inkarnieren. Ich denke, ich habe meine Lektion gelernt.

 

 

Warum erzähle ich diese Geschichte, die ich in meinen Bildern tatsächlich einmal so erlebt habe?

Weil mir durch diese Geschichte noch so viele andere Dinge bewusst geworden sind. Zum einen verstehe ich nun, warum ich eine so große Angst vor dem Glück hatte. Ich hatte schlichtweg Angst davor, mitten in diesem Glückgefühl tief zu fallen und mich sozusagen wieder am Boden der Tatsachen wiederzufinden. Also habe ich „Glück“ lieber gar nicht erst zugelassen.

Was mir auch immer wieder Angst gemacht hat, war die Vorstellung, im Angesicht des höchsten Glücks das Gefühl zu bekommen, alles erreicht zu haben, was ich mir für diese Inkarnation vorgenommen hatte. Aber dann bin ich ja fertig und kann dieses Leben auch genauso gut verlassen. Bedeutete also für mich das Erlangen des Glücks gleichzeitig das Ende und das Verlassen dieser Inkarnation?

Diese Bilder habe mich aber auch verstehen lassen, warum ich so wenig Ehrgeiz in diesem Leben an den Tag lege! Ich habe Angst davor, einen „falschen“ Ehrgeiz zu entwickeln. Denn das würde bedeuten, einen „falschen“ Weg zu gehen, einen Weg, auf dem deutlich wird, dass ich eben nicht verstanden habe, worum es in dieser Welt wirklich geht. Nämlich die Liebe!

 

 

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