Dieser Satz steht wohl stellverstretend auch für den Jakobsweg. Und tatsächlich ist es so, dass die Pilger, die auf dem Jakobsweg oder Chemin de St. Jacques oder einfach dem Camino unterwegs sind, nicht gehen, um ans Ziel zu kommen, sondern um den Weg zu gehen. Aber was passiert auf diesem Weg, der unglaublich anstrengend sein kann, der viel von einem fordern kann, der unbeschreiblich schön sein kann, auf dem jeder Pilger viel über sich selbst erfährt?

Wenn ich an meinen Weg denke, auf dem vor mir schon seit Hunderten von Jahren Pilger gegangen sind, dann berührt mich das tief. Die Erinnerungen – wenn auch dieses Mal noch sehr frisch – gehen mir ans Herz.

Zum dritten Mal war ich ja nun schon unterwegs, begonnen 2016 in München, 2018 in Rorschach am Bodensee und dieses Jahr in Interlaken, bin ich nun in Genf angekommen. Nun sind es nur noch 8,7 km – der Weg eines Vormittags – bis zur französischen Grenze und ich könnte sofort weitergehen…

Ja, was passiert eigentlich, wenn ich auf dem Weg bin?

Was ich immer sehr genieße, ist, morgens aufzustehen, meinen Rucksack zu packen und nach einem Frühstück wieder weiterzugehen. Wieder auf den Weg zu gehen. Wohin wird er mich heute führen? Welche Strecke liegt heute vor mir? Welche Menschen werden mir begegnen? Alles ist im Grunde offen. Das gibt mir ein wunderbares Gefühl von Freiheit. Ich entscheide, wie weit ich gehen möchte, inwieweit ich mich auf irgendjemanden, den ich treffe, einlassen möchte. Ich entscheide, wann ich eine Pause einlege oder wann ich etwas esse und wann ich eben gehe.

Für mich in der erste Teil des Weges am Morgen oder besser gesagt am Vormittag für die Meditation da. Da bin ich noch recht frisch und ausgeruht und kann mich gut auf mich selbst einlassen, in mich selbst eintauchen, ohne dabei den Weg zu verlieren.

Manchmal möchte ich mich mit einem bestimmten Thema befassen. Manchmal schaue ich aber auch einfach, was von selbst kommen möchte. Dann lausche ich nach innen. Bitte meine Geistige Welt mich rechtzeitig merken zu lassen, wenn der Weg abzweigt.

…und gebe mich hin.

Und dann darf kommen, was auch immer kommen möchte, Bilder, Emotionen, Fragen,… Und ich spüre, dass all das, was kommt, nicht bewusst von mir hervorgeholt wird, nicht bewusst von mir gesteuert ist. Und wenn es dann mein Herz berührt, es tief im Innern anspricht, dann weiß ich, ich bin da, wo ich hinmöchte. Dann bin ich tief in meinem Innern, dort, wo es um das Thema geht, das ich anschauen möchte… Dann brauche ich es nur laufen zu lassen, mir die Bilder anzuschauen, mich berühren zu lassen und das, worum es da für mich geht, dringt in mein Bewusstsein vor, wo es erlöst werden kann…

Anders kann ich diesen Vorgang kaum beschreiben. Ich spüre dann, wenn das Thema „erledigt“ ist, wenn meine Gedanken sich allmählich wieder anderen Dingen zuwenden oder wenn meine Aufmerksamkeit sich einfach wieder mehr der Umgebung und dem Weg widmet.

Da ist vielleicht die wundervolle Aussicht auf die hohen Berge im Süden. Oder der Genfer See, der dort unten in der Sonne glitzert. Oder die lange Asphaltstraße, die sich zwar landschaftlich schön zwischen den Weinbergen dahinzieht, jedoch unter der prallen Sonne zur Tortur wird. Oder der schattige, weiche Waldweg, der wieder einmal durch eine kleine Schlucht auf den nächsten Hügel führt. Oder die kleine 1000 Jahre alte Kapelle, die dort am Wegesrand einlädt, den Rucksack abzulegen und ihr einen Besuch abzustatten. Oder die nächste Ortschaft oder Stadt, die sich durch die ersten Wohnhäuser und Einkaufsmöglichkeiten ankündigt. Oder der kleine Rastplatz mit dem Tisch und den Bänken, auf dem bereits einige andere Pilger, die mir früher schon begegnet sind, gerade eine Pause einlegen und mich freudig willkommen heißen.

Ja, dieses Mal bin ich erstaunlich vielen Pilgern begegnet. An einigen Tagen waren wir bis zu 8 Pilger und wir haben uns immer wieder mal getroffen. Mit einigen habe ich die Unterkunft geteilt.

Etwas Besonderes war hier das Kloster mit den vietnamesischen Mönchen. Ich habe mit Marlis und Andreas, mit Nora und Simona in der Klosterherberge übernachtet. Zum Abendessen haben wir uns in der Gemeinschaftsküche versammelt und ein hervorragendes Essen bekommen. Der Mönch, der die Pilger betreut hat, brachte uns die Speisen, die alle mit exotischen Gewürzen zubereitet waren. Es war einfach köstlich und – was soll ich sagen – da schlägt das Pilgerherz einfach höher!

Nach dem Essen hat der Mönch uns erzählt – Nora hat uns allen als Übersetzerin vom Französischen ins Deutsche gedient -, dass es viele christliche Klöster in Vietnam gibt. Vor vielen, vielen Jahren waren einige Mönche auf Reisen in Europa und den USA. Doch leider war dies die Zeit, als der Vietnamkrieg 1975 begann und so konnten diese Mönche nicht zurück in ihre Heimat. Also haben sie sich zusammengeschlossen und mit der Erlaubnis des Pabstes Klöster in der Schweiz, in  Deutschland und den USA gegründet. Nun leben sie hier, in römisch-katholischem Glauben, jedoch mit vietnamesischen Ritualen, Lieder und Gebeten. Wir dürften uns davon überzeugen und einer Andacht beiwohnen. Die wundervollen Gesänge werden mir sicherlich lange in Erinnerung bleiben.

So gibt es viele, viele einzelne Erlebnisse, die ganz besonders waren.

Und ich bin sehr dankbar.

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